Das Alter ist ein wichtiges Querschnittthema und betrifft vor allem die Bereiche Soziales, Wohnen und Gesundheit. Auf kantonaler Ebene ist hauptsächlich das kantonale Sozialamt der Sicherheitsdirektion aktiv. In den Zürcher Gemeinden sind Altersfragen meist im Ressort «Soziales» verortet und mit den Gemeindeaufgaben bzgl. Pflegeversorgung verbunden (Kapitel 3). Viele Gemeinden haben eine eigene Alterspolitik und immer öfter sind spezialisierte kommunale Fachpersonen für das Thema Alter verantwortlich (Kapitel 4.3.).
Weitere wichtige Akteure sind Organisationen, die sich für die Anliegen alter Menschen engagieren und/oder sie im Alter unterstützen, wie z. B. der Zürcher Senioren- und Rentnerverband, die Pro Senectute und das Rote Kreuz Kanton Zürich sowie zahlreiche lokale Vereine und Kirchen. Der wissenschaftliche Fachbereich Gerontologie untersucht den Prozess des Alterns und das Alter als Lebensphase. Zudem gibt es die medizinische Spezialdisziplin Geriatrie.
⇒ Leben im Alter – aktuellste Feststellungen und zentrale Entwicklungen. Das Dokument von Prof. Höpflinger aus dem Jahr 2020 des Programms Socius der Age Stiftung bietet eine gute Übersicht speziell für Gemeinden. Die wichtigsten Punkte werden in diesem Kapitel zusammengefasst und mit weiterführenden Referenzen ergänzt.
Ein differenziertes Altersbild
Unsere Vorstellungen des Alters («Altersbild») prägen die Erwartungen und das Handeln gegenüber alten Menschen bzw. dem eigenen Altern. Negative oder klischeehafte Altersbilder («alte Menschen sind hilfsbedürftig») können sich negativ auf alte Menschen oder auf die Alterspolitik auswirken. Im Alter ist die Vielfalt der Erfahrungen und Möglichkeiten besonders gross. Ein differenziertes Altersbild anerkennt sowohl die vielen Ressourcen und Kompetenzen von alten Menschen als auch ihre individuellen Bedürfnisse. Mit geeigneten Partizipationsprozessen während der Planung oder durch Angebotsentwicklung gelingt das besser.
Die Zürcher Bevölkerung wird älter
⇒ Bevölkerungsprognose Kanton Zürich bis 2050, Szenario Trend ZH 2022.
Im Kanton Zürich leben über 1,55 Millionen Menschen und 17 % davon sind 65-jährig oder älter, das sind rund 270 000 Menschen. Die Lebenserwartung ist Dank sozialer und medizinischer Fortschritte laufend gestiegen und ist im Kanton Zürich ähnlich hoch wie in der ganzen Schweiz. Heute liegt die Lebenserwartung in der Schweiz für Frauen durchschnittlich bei über 85 Jahren und für Männer durchschnittlich bei knapp 82 Jahren.
Gemäss der aktuellsten Bevölkerungsprognose wird die Bevölkerungszahl im Kanton Zürich bis 2050 auf rund 2 Millionen Menschen anwachsen. Weil weitere geburtenstarken Jahrgänge (Babyboomer) ins Rentenalter kommen, wachsen in den nächsten Jahren Anzahl und Anteil der über 65-Jährigen im Kanton Zürich besonders stark (von 17 auf 21 %, +160 000 Menschen). Bei den über 80-Jährigen werden sich die Zahlen im Vergleich zu heute verdoppeln. Weil diese Bevölkerungsveränderungen Weitsicht und Planung erfordern, wird die Alterspolitik zunehmend relevant.
Das Alter im Wandel
Heute bleiben Menschen meist länger beschwerdefrei und sterben erst später. Deshalb kann zwischen dem dritten Lebensalter (aktives Alter) und dem vierten Lebensalter (Hochaltrigkeit) unterschieden werden.
Die heutigen jungen Alten (sogenannte Babyboomer) sind im Vergleich zu früheren Generationen meist gesünder, besser gebildet und finanziell gut abgesichert. Oft haben sie eine hohe Lebensqualität und sie bleiben nach der Pensionierung aktiv und gestalten ihren Alterungsprozess z. B. durch Stärkung ihrer geistigen und körperlichen Fähigkeiten.
Mit dem Übergang zum hohen Alter – ungefähr ab 80 Jahren – können gesundheitliche Beschwerden, Einschränkungen im Alltag und soziale Verluste zunehmen. Hochaltrigkeit kann eine erhöhte Gebrechlichkeit bedeuten, muss aber nicht automatisch zu einer höheren Unterstützungs- oder Pflegebedürftigkeit führen.
Wohnen im Alter
Viele alte Menschen wollen möglichst lange in der eigenen Wohnung bleiben und ihre Unabhängigkeit bewahren. Deshalb ist die Altersgerechtigkeit der Wohnung und Umgebung wichtig, weil sie beeinflusst, wie man sich am gesellschaftlichen Leben beteiligen kann, ob man Besorgungen selbst machen kann und welche täglichen Dienstleistungen man nutzen kann. Auch Wohnkosten und Wohnsicherheit sind bedeutsam.
Heutzutage leben die meisten alten Menschen zu zweit, mit zunehmendem Alter leben sie eher alleine. Selten hingegen ist ein Zusammenleben mit Familienmitgliedern oder in einer Wohngemeinschaft. Rund ein Drittel der über 90-Jährigen wohnt in einem Alters- oder Pflegeheim, d. h. ein Heimeintritt erfolgt häufig erst, wenn intensivere Betreuung und Pflege benötigt wird.
Eine Alternative zur bisherigen Wohnung und zum Alters- oder Pflegeheim sind neue Wohnformen wie z. B. gemeinschaftliches Wohnen, eine Alterswohnung oder betreutes Wohnen. Diese neuen Wohnformen entsprechen dem Trend weg vom institutionellen Wohnen in einem Alters- oder Pflegeheim und hin zu individuellen Lösungen. Diesbezüglich haben die Zürcher Gemeinden verschiedene Handlungsmöglichkeiten (Kapitel 4.3.).
⇒ Die Age Stiftung fokussiert auf zukunftsfähige Wohn- und Betreuungsangebote für alte Menschen und zeigt in ihren Dokumentationen praktische Lösungen auf.
Einkommen und Vermögen im Alter
Dank der Altersvorsorge haben Menschen in der nachberuflichen Phase ein stabiles Einkommen und die meisten Pensionierten sind zufrieden mit ihrer finanziellen Situation. Viele geben ihr ganzes Einkommen für laufende Ausgaben aus und nutzen daneben ihr Erspartes. Im Alter können Unterschiede bei Einkommen und Vermögen deutlicher werden, denn wer viel verdient und/oder geerbt hat, kann meist mit einer guten Rente und einem gewissen Vermögen alt werden. Hingegen sind alleinstehende Frauen im Alter häufiger von materieller Armut betroffen.
Wenn man betreuungs- oder pflegebedürftig wird – insbesondere nach Eintritt in ein Pflegeheim – steigt aufgrund der höheren Ausgaben die Wahrscheinlichkeit, auf Ergänzungsleistungen angewiesen zu sein. Ergänzungsleistungen. Unabhängig von der persönlichen finanziellen Situation können Menschen nach einem Jahr ununterbrochener Hilflosigkeit bei der SVA Zürich Hilflosenentschädigung beantragen. Die Sozialdienste und die Altersfachstellen der Gemeinden beraten und unterstützen ihre EinwohnerInnen bei der Geltendmachung von finanziellen Ansprüchen. In einzelnen Gemeinden hat eine Nachbarsgemeinde oder die Pro Senectute einen Leistungsauftrag für die Beratung (Fachstelle Alter).
⇒ Ungleichheit im Alter (2021), im Buch von Meuli & Knöpfel werden die finanziellen Spielräume von alten Menschen in der Schweiz analysiert.
Soziale Beziehungen und Einsamkeit
Soziale Kontakte – mit Freunden, Familie, KollegInnen, Nachbarn – steigern das Wohlbefinden in jedem Lebensalter und auch im Alter ist die soziale Teilhabe wichtig. Das soziale Netz kann eine wertvolle Ressource sein, auch wenn man Hilfe braucht. Mit steigendem Alter können die sozialen Kontakte abnehmen und auch die persönlichen Verluste nehmen zu (z. B., wenn gleichaltrige Bezugspersonen sterben). Viele alte Menschen haben ein intaktes soziales Netz, das mehrheitlich aus Angehörigen oder Gleichaltrigen besteht. Hingegen fehlen häufig engere Kontakte mit Nachbarn oder mit jüngeren Generationen ausserhalb der Familie.
Im Vergleich zu jüngeren Menschen fühlen sich weniger alte Menschen einsam, nämlich rund ein Drittel. Im hohen Alter steigt das Einsamkeitsrisiko, z. B. wegen persönlicher Verluste oder auch körperlicher Einschränkungen. Im Alter gilt Einsamkeit als Gesundheitsrisiko, es steigt auch die Gefahr für weniger Bewegung, Mangelernährung, Altersdepression und demenzielle Erkrankung. Die Digitalisierung kann für alte Menschen eine Chance oder eine Hürde sein. Die Umstellung auf digitale Dienstleistungen birgt die Gefahr von Ausschluss und Diskriminierung von alten Menschen (z. B. online Wohnungsbewerbung, Zahlungsverkehr).
Unterstützung im Alter
Mit zunehmendem Alter kann der Unterstützungsbedarf steigen, er unterscheidet sich nach Art (Hilfe im Alltag, Betreuung, Pflege) und Intensität. Dabei sind die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen zentral und die Unterstützung wird unterschiedlich organisiert. Je grösser der Unterstützungsbedarf ist, umso wahrscheinlicher wird der Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim. Wenn es die Wohnsituation erlaubt, die Betreuung gewährleistet werden kann (z. B. durch Angehörige/Freiwillige/Entlastungsdienste/Professionelle Dienstleister) und die organisatorischen Rahmenbedingungen in der Gemeinde gut sind, können alte Menschen länger zu Hause bleiben. Die Gemeinden haben diesbezüglich einen grossen Handlungsspielraum (Kapitel 3.6. und Kapitel 4.3.).
Krankheit im Alter und steigendes Demenzrisiko
Im Alter nehmen Krankheiten zu und treten gleichzeitig auf (Kapitel 1.1.). Obwohl im höheren Alter körperliche und geistige Fähigkeiten nachlassen können, bleibt die funktionale Gesundheit meist lange bestehen.
Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, an einer Demenz zu erkranken. Im Kanton Zürich leben schätzungsweise fast 25 000 Menschen mit Demenz. Der fortschreitende Krankheitsverlauf bedeutet zunehmende Einschränkungen der Alltagsaktivitäten, die üblicherweise mit einer steigenden und hohen Pflegebedürftigkeit einhergehen. Dank ambulanter Betreuungs- und Pflegeleistungen leben heute etwa 60 % der von Demenz betroffenen Menschen zu Hause. Der Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim findet deshalb später und in schlechterem Gesundheitszustand statt. Rund 65 % aller Bewohnenden von Alters- oder Pflegeheimen leben mit Demenz.
⇒ Die Alzheimervereinigung Kanton Zürich unterstützt Betroffene und Angerhörige und hilft Gemeinden auf dem Weg zu einer demenzfreundlichen Gesellschaft.
Das Lebensende und der Tod
Die meisten Menschen sterben heute mit über 80 Jahren und die häufigsten Todesursachen in diesem Alter sind Herz-Kreislaufkrankheiten, Demenz, Krebs und Atemwegserkrankungen. Rund die Hälfte der über 80-Jährigen hat eine schriftliche Patientenverfügung, in der Wünsche zur Behandlung und zum Lebensende festgehalten sind. Mobile Palliative Care Teams kümmern sich um PatientInnen zu Hause und spezialisierte Fachpersonen pflegen PatientInnen im Spital. Damit Mobile Palliative Care Teams die PatientInnen auch in einem Alters- oder Pflegeheim kostendeckend pflegen können, haben die meisten Gemeinden einen zusätzlichen Leistungsvertrag (⇒ SPaC).
⇒ pallnetz.ch und palliative zh+sh informieren und beraten Betroffene und Fachpersonen.